Das hätte man so leicht keinem anderen abgekauft. Schwarzes Barett, und ein zerknautschter „Richard Wagner Blick“ – fehlte eigentlich nur das Cape und fertig wäre das Klischee des Malerfürsten. An Eberhard Gnahs wirkte jedoch dieser Habitus so natürlich wie der „Blaumann“ am Installateur. Hier lebte jemand seinen Traum, sein eigentliches Wunschleben und das rund um die Uhr. Doch Eberhard Gnahs war weit mehr als eine bewusste Inszenierung oder ein zu spät aufgeblühter Autodidakt, seine Kunst war einzigartig. Wenn nicht im wahrsten Sinne des Wortes „etwas dahinter“ gewesen wäre, erschiene die Fassade nachgerade als Farce.
Er malte die Hütte, das zerspellte, zerbröselnde Ungetüm, als das der stählerne Völklinger Torso in den 90er Jahren wahrgenommen wurde. Niemand traute dem rostigen Monster einen zweiten Frühling zu, Eberhard Gnahs auch nicht. In einem manischen Schaffensrausch gepaart mit kindlicher Neugierde malte, zeichnete, spachtelte, kratzte, übermalte, lithographierte und radierte er sich den beträchtlichen Frust von der gequälten Seele. Denn der gebürtige Sachse war indigener Bestandteil des Monsters gewesen. Seine Zeit als Völklinger Hochöfner hat ihn geprägt, und obwohl er aus gesundheitlichen Gründen den geliebten-verhassten Beruf aufgeben musste, hat sie ihn nie wirklich aus ihren stählernen Klauen gelassen, die Hütte.
Niemand gab dem damaligen Lebensgefühl der Völklinger intensiveren Ausdruck als die Bilder von Eberhard Gnahs. Wohl zuweilen düster, sogar apokalyptisch, aber keineswegs depressiv, warten sie mit mitreißender Verdichtung, erstaunlicher grafi scher Raffinesse und eben dieser Messerspitze „authentischen Erlebens“ auf, die sich dem Betrachter unmittelbar mitteilen.
Künstlerisch kam er Ende der 80er Jahre buchstäblich aus dem Nichts. Die Aneignung teilweise komplizierter technischer Praktiken erfolgte mit atemberaubendem Tempo. Der Künstler Eberhard Gnahs war geboren und verschaffte sich bei Kollegen wie Publikum gleichermaßen Respekt. Zahlreiche Preise und auch ein beträchtlicher Verkaufserfolg zeugen davon. Auch dieses „Wunder“ hatte freilich seine nüchterne Erklärung. Gnahs war fabelhaft, einzigartig und unerreicht, solange er sich voll und ganz „seinem ureigenen Genre“ widmete. Portraits und Blumenstilleben waren seine Sache nicht. Sein plötzlicher Tod ereignete sich unangekündigt auf dem Höhepunkt der künstlerischen Entfaltung. Es existiert kein Alterswerk und die spannende Frage, ob sich Eberhard Gnahs dem gewandelten Image des Weltkulturerbes hätte anpassen können, wird unbeantwortet bleiben.
Das rostige Monster der Eisenhütte ist bei Eberhard Gnahs zu einer Chiffre geworden.
Immer wieder präpariert er das Motiv aus seinem Zusammenhang im Rahmen der Stadtlandschaft frei und versetzt es in ein Traumambiente. Eine stählerne Insel im Meer. Ein nebeliges Avalon, mitunter auch garniert mit eleganten Sportbooten.
Der Kern des Ganzen ist und bleibt die Völklinger Hochofengruppe, hier mit Bahnhof und der „blutenden“ Sonnenscheibe.
Der Zeichner Gnahs ist sichtbar talentiert, aber nicht ausgebildet. Zeichnung diente ihm als Skizze, ganz selten als Ausdrucksmittel und eigenständiges Werk.
„Ende Eisenzeit“
Das war ein wenig sein Credo, aber Eberhard Gnahs stand damit nicht alleine. Ende der 90er Jahre konnte sich kaum jemand vorstellen, wie man das rostende Monster erhalten sollte.
So zeigt er uns die Hütte als düstere Ruine, zerfallen, unkenntlich und großartig. Wie so oft verlegt er den Schauplatz an eine fiktive Wasserfläche, die die Eiseninsel entweder spiegelt oder vom Betrachter isoliert.
Was als abstrakte Übung begann -ein paar Züge mit der Druckerwalze erzeugen eine Raumstruktur- ergänzt er hier mit einem einfachen Linienriss der Hochofengruppe mit ihren markanten Hosenrohren.
Die „Twintower“ rechts legen ein Entstehungsjahr nach 2001 nahe.