Dominique Colombino - Zwei Wesen vor dem Tor des Zufalls

Dominique Colombino

Zwei Wesen vor dem Tor des Zufalls, 2010
Stahl, teilweise patiniert

Forbacher Passage, Völklingen

„Ich bin irgendwo in der Welt geboren und ich lebe noch.“ Mehr will Colombino über seinen Werdegang nicht verraten. Sein Haus ist über und über mit seinen Bildern und „Wesen“ bevölkert. „Wesen“, weil diese Figuren aus Metall durchaus an die menschliche Form erinnern mit Kopf und Rumpf, aber gleichzeitig könnten sie auch aus dem Reich unbekannter Insekten stammen. Sie sind nicht festlegbar auf eine bestimmte Spezies wie Mensch oder Tier oder Pflanze. Sein kleiner gepflegter Garten ist von einer schönen hohen Steinmauer umschlossen, ein hortus conclusus mit einem großen Feigenbaum. Eine eigene Welt wird spürbar, wenn der Künstler mit seiner tiefen melodischen Stimme eines seiner literarischen Werke vorliest: „Un Fleur Peut Etre Peut Etre Un Fruit.“ In seinen Wortschöpfungen ist von ephemeren, schattenhaften Erscheinungen die Rede, immer wieder der Versuch, das „Dazwischen“ in Worte zu fassen. Und in den Zauber ruft plötzlich der Nachbarsjunge und reicht ein frisches, selbst gebackenes Baguette über den Zaun.

Die Stahlskulptur auf dem Forbacher Platz wurde der Stadt Völklingen zur Einweihung der neugestalteten Anlage von der Stadt Forbach geschenkt. So bleibt sie ein sichtbares Zeichen für Kooperation über Grenzen hinweg. Genau das ist ja Colombinos Thema: Auflösung von Grenzen. Es gibt EINEN Wirkstoff aus dem alles Einzelne entsteht, also warum sich gegenseitig bekämpfen? Geldhandel und Nukleartechnik bezeichnet er als die Katastrophen
unserer Epoche. Die drei Meter hohe Skulptur mutet wie eine ägyptische Schrifttafel an. Sie wird flankiert von zwei „Êtres“, je 1,98 m hoch. Die Durchbrechungen scheinen eine Aufreihung geheimer Zeichen zu sein. Colombino verbindet sie mit der deutschen Kultur. Klar erkennbar sind zwei Friedenstauben. Auf den übrig gebliebenen Flächen kann man Texte in Französisch lesen. Es handelt sich nicht nur um Gedichte des Künstlers selbst. In einer Passage schildert der Schriftsteller Serge Battiston wie in Colombinos Werk Leerflächen zu Zeichen werden. Er beschreibt die dünnen Figuren, die schattenhaft aus einer anderen Welt zu kommen scheinen, wie Traumgespinste sich entziehen und doch allgegenwärtig sind. Er beschreibt die Schönheit der schillernden Farbnuancen und schließt mit dem Ausruf: „En fait c‘est une leçon de vie.“

Manche Leerformen ergeben auf der Bodenplatte die entsprechende Vollform dazu. Die kleinen Kuben erinnern an Grabmäler und Grabsteine. Die mit farbigem Glas gefassten Leerstellen im „Tor“ vermitteln eine Stimmung von Kirchenfenstern, die vielen Figürchen sind eher ausgemergelt als feenhaft.

Ganz unten rechts, wo man eine Signatur erwarten könnte, da findet sich das Wort „Elle“. Das ist ihm besonders wichtig. Viele Menschen sind ins Schattenreich entschwunden, ein Wesen ist aber immer das, was betroffen macht.

Wenn aber heute an seinem Werk ein Fahrrad angebunden wurde oder die Kinder daran klettern, dann hat das Leben wieder einen Sinn.