Gunter Demnig
Geboren: 1947 in Berlin
Kunstpädagogik und Skulpturen
Kontakt
Kölner Straße 29
50226 Frechen
Mobil: 0177 / 20 61 858
E-Mail: gunter@gunterdemnig.de
Internet: www.stolpersteine.eu
1947 – geboren am 27. Oktober in Berlin
1967-1979 – Studium der Kunstpädagogik an der Hochschule für bildende Kunst Berlin bei Prof. Herbert Kaufmann sowie Industrial Design (1969-1970), der Kunstpädagogik an der Kunstakademie / Gesamthochschule Kassel (ab 1971), der Freien Kunst an der Universität Kassel, Atelier Kramer (1974-1977)
1980-1985 – Künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Kunst an der Universität Kassel
seit 1985 – Atelier in Köln
Kunstaktionen (Auswahl)
1980 – Duftmarken Kassel-Paris
1981 – Blutspur Kassel-London
1982 – Ariadne-Faden Kassel-Venedig
1982 – Flaschenpost Kassel-New York
1983 – KASSEL 22. OKTOBER – ZEHNTAUSEND TOTE
1984 – Landschaftskonserven
1985 – Staubspur Kassel-Köln
1988 – Einreise Entry Entré Vjezd Berlin
1990 – Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti
2000 – The walls of Jericho, Hörgänge
2001 – Schwarze Mauer
2002 – Menschenrechte, HIER WOHNTEN SIE
Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen 1981-2017 (Auswahl)
Kunstakademie Kassel; Alte Oper, Frankfurt am Main; Galerie Brusten, Wuppertal; Moltkerei-Werkstatt, Köln; Het Apollohuis, Eindhoven; Friedensbiennale Hamburg; Kunsthalle Baden-Baden; Kölnisches Stadtmuseum; Hamburger Kunsthalle; Neuer Berliner Kunstverein; Kommunale Galerie Bremen; Münchener Stadtmuseum; Staatliche Gemäldegalerie Moskau; Eremitage Leningrad; Glaskasten Marl; Stichting Logos, Gent; Studio Galerie, Hamburg; Kunstverein Kassel; Künstlerhaus Bethanien, Berlin; Kunstverein Lingen; ZKM Karlsruhe; Ludwig Forum, Aachen; Städtische Galerie Fellbach; EXIT-Art, Köln; Galerie 68elf, Köln; Antoniter-Kirche, Köln; Muzejsko Galerijski Centar, Zagreb; Akademie der Künste, Berlin; Kunsthalle Köln; Kunsthaus Hamburg; Egon-Schiele-Zentrum, Cesky Krumlov; Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin; Akademie der Künste, Berlin; Internationales Klangfestival, Osnabrück; Oberösterreichische Landesgalerie, Linz; Internationales Klangfestival, Luzern; Domforum Köln; Städtische Galerie Katowice; Kunstverein Lingen; Musiques en Scène, Lyon; Hessisches Landesmuseum Darmstadt; Internationales Musikfestival Millstadt; Deutschlandradio Köln; Antwerpen ‘HÖRGÄNGE‘; Stadtmuseum Bydgosz; NS-Dokumentationszentrum, Köln; Städtische Museen, Heilbronn; Galerie 2B, Budapest; Musée de 1’Europe, Brüssel; ART CLUB, Köln; Künstler-Nekropole, Kassel; Kunsthaus, Hamburg; St. Michael, Köln; Kunstwerk, Köln; Kunstverein Pumpwerk, Siegburg
Auszeichnungen
2004 – Max-Brauer-Preis der Alfred Toepfer Stiftung FVS, Hamburg | Herbert-Wehner-Medaille der Gewerkschaft ver.di
2005 – German Jewish History Award der Obermayer Foundation | Jugendpreis „Das rote Tuch“ | Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland
2006 – Alternative Ehrenbürgerschaft der Stadt Köln
2007 – Giesbert-Lewin-Preis der Stadt Köln
2008 – Botschafter für Demokratie und Toleranz, Berlin
2009 – Josef-Neuberger-Medaille der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf
2009 – Erich-Mühsam-Preis der Stadt Lübeck
2010 – Rheinlandtaler in Köln
2011 – Otto-Hirsch-Medaille der Stadt Stuttgart
2012 – Marion Dönhoff Preis, Hamburg | Europäischer Bürgerpreis, Brüssel | Erich-Kästner-Preis, Dresden
2013 – Lothar-Kreyssig-Friedenspreis
2014 – BZ-Kulturpreis, Berlin
1990
Gunter Demnig entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Kölner Rom e. V., einem Verein zur Verständigung von Rom (Roma und Sinti) und Nicht-Rom, das Projekt „Mai 1940 – 1000 Roma und Sinti“. Er markiert mit einer Farbspur anlässlich des 50. Jahrestages der Deportation am 6. Mai 1990 den Weg, über den die Opfer aus Köln von ihren Wohnorten aus zum Deportationsgleis abtransportiert wurden. Die „Spur“ ist zugleich der Beginn einer bis heute andauernden künstlerischen Beschäftigung Gunter Demnigs mit den Verbrechen des Nationalsozialismus.
1992
Wiederum in Kooperation mit dem Rom e. V. erinnert Gunter Demnig am 16. Dezember 1992 in einer Kunstaktion an die Deportation der Sinti und Roma: Anlässlich des 50. Jahrestages des Befehls Heinrich Himmlers, die „Zigeuner“ aus dem Deutschen Reich in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu deportieren, legt Demnig den ersten Stolperstein vor dem Kölner Rathaus.
1993
Die 12 Kilometer lange „Spur“ verwittert. Es wird ein Antrag gestellt, die Spur unter Denkmalschutz zu stellen. Der Rat der Stadt beschließt, sie an ausgewählten Stellen zu konservieren. Seit Januar 1993 ist sie an 22 Orten im Stadtgebiet als Messingschriftzug in den Bürgersteig eingelassen. Die Finanzierung erfolgt über Spenden. Diskussionen mit einer Anwohnerin, die abstreitet, dass jemals „Zigeuner“ in der Nachbarschaft gelebt hätten, regen Gunter Demnig dazu an, sein Erinnerungsprojekt noch konkreter auszulegen.
1994
Er entwickelt das Projekt „Stolpersteine – Hier wohnte …“ und fertigt 230 Steine, die an deportierte Sinti und Roma, Juden und andere NS-Opfer erinnern, um sie vor den ehemaligen Wohnhäusern zu verlegen. Vom 18. September bis zum 10. November 1994 werden die Stolpersteine in der Kölner Antoniterkirche ausgestellt.
1995
Am 4. Januar 1995 werden die ersten Steine im Kölner Griechenmarktviertel verlegt. Eine Genehmigung für das Projekt gibt es noch nicht.
1996
In Berlin-Kreuzberg verlegt Gunter Demnig – erneut ohne Genehmigung – im Rahmen der Ausstellung „Künstler forschen nach Auschwitz“ in der Neuen Galerie für Bildende Kunst 51 Stolpersteine. Bis Jahresende werden weitere Stolpersteine in Köln-Ehrenfeld verlegt.
1997
Gunter Demnig beginnt in Köln einen langen Marsch durch die Institutionen. Er führt Gespräche mit Kunstbeirat, Kulturausschuss, Bezirksverwaltungen, Tiefbauamt, Amt für Straßen- und Verkehrstechnik, Stadtplanungsamt, Haushaltsausschuss. Sein Ziel ist die Erlaubnis der Stadt, die durch Spenden finanzierten Stolpersteine auf öffentlichem Grund – den Bürgersteigen – verlegen zu dürfen. Unterstützung findet er unter anderem beim NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln.
2000
Das Jahr 2000 markiert den Durchbruch für das Projekt: Der Kölner Stadtrat nimmt die Stolpersteine als Schenkung an. Damit ist nicht nur der Weg für die Verlegungen in Köln geebnet, sondern auch ein Vorbild für viele andere Städte geschaffen. In der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in der internationalen Öffentlichkeit stößt seitdem Demnigs „dezentrales Monument“ auf eine große Resonanz. An vielen Orten gründen sich Initiativen, die sich für eine Verlegung von Stolpersteinen in ihren Orten einsetzen.
2002
Die Autorin Uta Franke, die nach politischer Gefängnishaft in der DDR seit 1981 in Köln lebt, publiziert und Vorträge über die Geschichte der DDR hält, übernimmt die Gesamtkoordination des Projektes.
2006
Ende des Jahres sind rund 9.000 Stolpersteine in 200 Ortschaften verlegt. Die meisten Orte befinden sich in der Bundesrepublik Deutschland, sieben davon in Österreich.
2007
Das Projekt findet auch international immer stärkere Beachtung. Im Juni und August erste Verlegung von Stolpersteinen in Ungarn, im November in den Niederlanden.
Ein Strich durch das Vergessen
Gunter Demnigs Aktionen machen Verborgenes sichtbar. Im Mai 1990 zeichnet er mit einem selbst gebauten Druckrad den Deportationsweg der Sinti und Roma quer durch die Stadt Köln nach. Er markiert das Zwangslager, die ehemaligen Wohnhäuser sowie an der Verfolgung beteiligte Institutionen.
Die Kölner Öffentlichkeit ist irritiert. Engagierte Einzelpersonen und der Kölner Rom e. V. gewinnen die Politikerinnen und Politiker für einen dauerhaften Erhalt des Kunstprojektes. In Messing gefertigt, wird der zuvor mit Farbe aufgebrachte Schriftzug an 22 Stellen dauerhaft konserviert.
Erinnerung – vor die Tür gelegt
Der Prototyp für eine Konkretisierung der Erinnerung wird 1992 geschaffen, wieder in Zusammenhang mit aktuellen politischen Debatten. Als darüber gestritten wird, ob die aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Köln geflohenen Roma bleiben dürfen, erinnert Gunter Demnig an die Verfolgung in der NS-Zeit.
Auf diesem ersten Stolperstein – ein Betonstein mit verankerter Messingplatte in 100 x 100 x 100 mm sind mit Schlagbuchstaben die ersten Worte des Erlasses von 1942 zur Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz aufgebracht, im Hohlkörper selbst ist der gesamte Text enthalten. Er liegt vor dem Kölner Historischen Rathaus, in dem unter anderem Trauungen stattfinden.
Intervention im öffentlichen Raum
Demnigs Kunstaktionen – beginnend mit den „Duftmarken Kassel-Paris“ im Jahr 1980 sind immer Interventionen im öffentlichen Raum. Er greift Debatten auf und gibt sie in neuer Form in die Öffentlichkeit zurück. So bringt er zum Beispiel den Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 während des Höhepunktes rassistischer Übergriffe auf Ausländer in der Bundesrepublik im Jahr 1992/1993 auf Kölner Reklametafeln auf.
Gunter Demnig hat eine künstlerische Ausdrucksform gefunden, die für viele Themen der Erinnerungskultur anschlussfähig ist. Am 27. Januar 2006, dem offiziellen Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik, beteiligt er sich an einer Aktion vor dem Kölner Hauptbahnhof. Mit der Gedenkinstallation „Die Schwelle“, von einer Bürgerinitiative konzipiert, wird die Deutsche Bundesbahn aufgefordert, sich ihrer historischen Verantwortung für die Deportationen zu stellen.
Die Verlegung der Stolpersteine in Völklingen
Der Beginn
Das Aktionsbündnis Stolpersteine Völklingen hat gemeinsam mit der Stadt Völklingen nach langer Vorarbeit und dank zahlreicher Spenden aus der Bevölkerung die ersten 7 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Hierzu war der Kölner Künstler Gunter Demnig, der jeden Stein selbst anfertigt und auf den die gesamte Aktion Stolpersteine zurückgeht, anwesend und führte die Verlegung selbst durch. Der erste Stein wurde in der Saarstr. 33 verlegt, wo Fredi Wiedersporn zuletzt gewohnt hat, bevor er mit 17 Jahren im Tötungstrakt der Anstalt Sonnenstein vergast wurde.
Der nächste Stolperstein wurde in der Völklinger Straße 60 zum Gedenken an Wilhelm Bermann verlegt. Wilhelm Bermann betrieb eine Schneiderei in Ludweiler. Er und seine Frau wurden in der Reichspogromnacht überfallen, in Schutzhaft genommen und ins KZ Dachau gebracht. 1939 flüchteten sie nach Holland, von wo aus sie über das Lager Westerbork nach Sobibor verschleppt wurden. Wilhelm Bermann und seine Frau wurden dort am 2.7.1943 ermordet. Der Stolperstein für Berta Bermann-Keller wird im März 2013 verlegt werden.
Gegenüber, in der Völklinger Straße 61, lebte bis zu seiner Flucht im Jahre 1936 sein Bruder Samuel Bermann mit seiner Familie. Samuel Bermann führte ein Geschäft für Textilien, Arbeitskleidung und Möbel. Er, seine Frau und seine Kinder waren fester Bestandteil der Ludweiler Dorfgemeinschaft, in den dortigen Vereinen aktiv und angesehen. Nach der Saarabstimmung im Jahre 1935 bekamen jedoch auch sie die Hetze gegen die Juden zu spüren. Samuel Bermann verkaufte sein Haus und sein Geschäft und flüchtete mit seiner Familie nach Holland. 1943 wurden er und seine Frau Gertrude vom Lager Westerbork aus nach Auschwitz deportiert. Sie wurden am 5.2.1943 ermordet. Sohn Julius wurde am 30.9.42 in Auschwitz ermordet, sein Bruder Kurt Salomon am 19.8.42 ebenfalls in Auschwitz.
Als letzter wurde vor dem ehemaligen Ludweiler Bürgermeisteramt, dem heutigen Glas- und Heimatmuseum, der Stolperstein für Philipp Kaufmann verlegt. Philipp Kaufmann war hier von 1933 bis 1935 als Gemeindeverordneter für die KPD tätig. Er war Bergmann und wurde 1936 ins Ruhrgebiet zwangsversetzt, wo er 1944 von der Gestapo verhaftet wurde. Am 7.3.1943 kam er im KZ Buchenwald ums Leben.
Die Stolpersteine sollen daran erinnern, dass auch in Völklingen Nachbarn aus unseren Straßen verschwunden und ermordet worden sind. Sie sind damit wichtige Bestandteile der Erinnerungskultur unserer Stadt und gleichzeitig auch Teil eines wachsenden Denkmals im öffentlichen Raum.
Der Ausbau
Im Völklinger Stadtgebiet erinnern bereits sieben Messingtafeln in Gehsteigen vor ihren früheren Wohnhäusern an Opfer der Nazizeit. Den nächsten dieser Stolpersteine verlegte das Völklinger Aktionsbündnis am Montag, 18.3.2013 in der Bahnhofstraße 4 in Luisenthal. Es handelt sich hier um das frühere Haus von Dr. Rudolf Fromm. Dieser beliebte jüdische Arzt war in der Reichspogromnacht im November 1938 aus Luisenthal vertrieben worden und dann ins KZ Dachau gekommen. Es folgte die Verlegung von noch weiteren zehn Stolpersteine. Ein Stolperstein wurde vor dem heutigen Albert-Einstein-Gymnasium verlegt. Er gilt Fritz Lieser, geboren 1915, der von Ostern 1926 bis Ostern 1935 Schüler der damaligen Städtischen Oberschule für Jungen war. Seine Eltern führten in der Poststraße 13 ein Textil- und Konfektionsgeschäft. Im Dezember 1935 flüchtete Fritz Lieser mit seiner Familie nach Frankreich. Dort wurde er 1942 verhaftet, nach Auschwitz deportiert und anschließend ermordet (siehe auch „Auf einen Blick“).
Gleich vier Stolpersteine haben in der Poststraße 30 ihren Platz gefunden. Sie gelten Robert und Odette Kahn, geboren 1930 und 1927, und ihren Eltern Benny und Alicia Kahn. Die Familie war 1933 nach Frankreich geflüchtet. Nach der Besetzung durch deutsche Truppen ereilten auch sie die Nazi-Schergen. 1944 wurde die Familie nach Auschwitz deportiert. Die beiden Kinder wurden ermordet. Die Eltern, Näheres ist nicht bekannt, erlitten wahrscheinlich dasselbe Schicksal. Moltkestraße 19 hieß der letzte Wohnsitz von Hermann Kahn, Jahrgang 1888. Kahn war dort Inhaber einer Schuhmacherei. Er und seine Frau Klara, geb. Weil, wurden nach der Reichspogromnacht am 15. November 1938 verhaftet und nach Dachau gebracht. Als die beiden im Januar 1939 nach Völklingen zurückkamen, mussten sie feststellen, dass ihr Betrieb zwischenzeitlich von der Stadtverwaltung abgerissen worden war. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden Hermann und Klara Kahn evakuiert und am 7. Dezember 1941 von Köln in das KZ Riga deportiert, wo beide ermordet wurden.
In der Moltkestraße 51 lebte Josef Schirra, Jahrgang 1889, Fraktionsvorsitzender der KPD in Völklingen. Schirra flüchtete Anfang 1935 nach Frankreich, wurde dort später von der Gestapo gefasst und im Juni 1942 im KZ Mauthausen ermordet.
Und in Ludweiler wurde ein Stolperstein sozusagen nachverlegt. Er gilt Berta Bermann, Ehefrau von Wilhelm Bermann, für den bereits ein Stein vor dem Haus Völklinger Straße 60 liegt. Erst durch Recherchen von Schülerinnen und Schülern der Gemeinschaftsschule Am Sonnenhügel war bekannt geworden, dass Wilhelm Bermann sowohl eine Frau als auch einen Sohn hatte.
Fotogalerie
Quelle allgemeine Texte: Karin Richert, Gunter Demnig
Quelle Fotos und Fotogalerie: Karin Richert, Archiv Gunter Demnig
Quelle Text und Fotos »Gunter Demnig und Völklingen«: Stadt Völklingen