Leo Grewenig

Leo Grewenig

Geboren: 1898 in Heusweiler
Gestorben: 1991 in Bensheim

Malerei und Zeichnung

Fast ein Jahrhundert hat der in Heuweiler 1898 in eine Maler- und Anstreicherfamilie geborene Leo Grewenig, der jüngere Bruder des Künstlers Fritz Grewenig, miterlebt. Und wir sprechen nicht von irgendeinem Jahrhundert, wir sprechen vom Hineinwachsen in die Moderne, in eine neue Epoche.

Eine seiner Generation entsprechend traditionelle Ausbildung an der Kunstakademie in Kassel traf 1924 auf Lehrer am Staatlichen Bauhaus in Weimar, die den 26 Jahre jungen Mann in ein neues Universum katapultiert haben müssen. Mit Wassily Kandinsky, Paul Klee, Josef Albers und Moholy-Nagy traf Grewenig auf Quintessenzen der zeitgenössischen Mög­lichkeiten, von denen jede einzelne für sich für ein Leben gereicht hätte. Es war ja nicht eine traditionelle Auffassung durch eine neue abgelöst worden – etwa in dem Sinne Gegen­ständliches wird durch Abstraktion ersetzt – sondern durch ein Potpourri der Möglichkeiten: abstrakt, figurativ, geometrisch abstrakt, lyrisch abstrakt, theosophisch, positivistisch … keine leichten Zeiten für ganz normale Menschen.

Während seiner Tätigkeit als freier Maler in Berlin mit Beteiligung an den Ausstellungen der Berliner Sezession machte Leo Grewenig die Bekanntschaft mit Max Liebermann. Dieser riet ihm im Hinblick auf den sich anbahnenden Nationalsozialismus zu einem Staatsexamen als Kunsterzieher.

Grewenigs persönliche Bildsprache aus narrativen Elementen, wie etwa die Schilderung eines Faschingsballs oder Bilder, die sich auch zu skurrilen Geschichten fügen können – der  Maler an der Staffelei wird von den Strahlen der Taube des heiligen Geistes heimgesucht, einer im Bett liegenden rauchenden Frau wurde gerade ein Bein amputiert, ein Tödchen schaut dabei zu, während im Hinter- und Nebengrund Männer in Frack und schwarzen Zylindern mit Spaten und Kreuz einer Kirche zustreben, von Posaunenengeln erwartet, ein clownesker Schneemann gehört zur Zirkustruppe … –  alles schwebend im Farbmeer eines undefinierten Raumes, durchsetzt mit geometrischen und floralen Elementen. S eine eigen­willige Sprache hätte sich nun entwickeln können, aber dieser Generation war Wachstum in Innerer Notwendigkeit nicht vergönnt. Mit der Machtergreifung der Nazis wurde auch diese wirklich harmlose Malerei verboten.

Nach dem zweiten Weltkrieg setzt Grewenig zunächst seine Arbeit im figurativ symbolischen Stil fort, um der seelischen Schockstarre der Menschen ein Gesicht zu geben. Ähnlich wie Carl Hofer, der nach dem Krieg vielen Jüngeren Halt gab, versinkt die Palette in gebrochen stumpfen Farbtönen; die räumlichen Brechungen haben alles Schwebende, Spielerische, Leichte verloren.

Erst in der Mitte der 1950er Jahre wird Grewenig aus all seinen künstlerischen Erfahrungen das hervorbringen, was man einen typischen Leo Grewenig nennt. Die erzählenden Figuren verschwinden und werden durch allerlei Phänomene ersetzt: Muschelartiges, Florales, Felsiges, etwas aus der Welt der Gestirne Entliehenes. Amorphe Strukturen erscheinen in kleinteilig geometrisierender Gliederung und umgekehrt kann der Körper geometrischer Formen durch amorphe Strukturen pulsieren. Vom Zwang der Erzählung befreit, entfaltet der Maler, der Mensch, sein poetisch sinnliches Erleben von Welt; er erschafft seine eigene Welt, aber eine, in die er jede Seele einlädt. Sicher könnte man die Elemente, die der junge Mann dereinst bei Paul Klee oder bei Kandinsky beobachtet hatte, erforschen. Aber wer will das schon angesichts solch liebenswürdig ernster Verspieltheit. Er nimmt uns mit zum Muschelsammeln am Strand.

Auszug aus dem Künstlerlexikon des Instituts für aktuelle Kunst im Saarland

  • 1898
    geboren in Heusweiler
  • 1914-1916
    Malerlehre im väterlichen Betrieb. Unterricht durch den älteren Bruder Fritz
  • 1921-23
    Studium an der Kunstakademie in Kassel bei Prof. Kurt Witte und Prof. Kay Heinrich Nebel, Studienreise nach Paris
  • 1924-25
    Studium am Bauhaus in Weimar: Vorkurs bei Laszlo Moholy-Nagy und Josef Albers, Aufnahme in die Klasse für Wandmalerei bei Kandinsky, Übungen und Vorträge bei Paul Klee; Gesellenbrief des Bauhauses (Wandmalerei) und Meisterbrief für das Malerhandwerk,
  • 1926-28
    Lehrtätigkeit im Saarland in der Glasmacherklasse der Gewerblichen Berufsschule in Wadgassen/Saar
  • 1928
    Übersiedlung nach Berlin; Tätigkeit als freier Maler, erste Beteiligung an Ausstel­lungen der Berliner Sezession, Bekanntschaft mit Max Liebermann
  • 1929-31
    Kunstschule Berlin-Schöneberg in der Klasse von Georg Tappert; Beteiligung an den Ausstellungen der Berliner Sezession, u. a. mit den Malern der Brücke, mit Kandinsky und Feininger, in der Modernen Galerie Wertheim, an den Jahresausstellungen des Berliner Verlegers und Kunstförderers Paul Westheim; Staatsexamen für das höhere Lehramt im Fach Kunsterziehung
  • 1932-57
    Lehrtätigkeit als Kunsterzieher an Gymnasien im Saarland
  • 1942
    Ausstellungsverbot und Ausschluss aus der Reichskulturkammer
  • 1944-45
    Kriegseinsatz an der Ostfront
  • 1950-1956
    Lehrtätigkeit an Gymnasien, zunächst in Dillingen, danach am Knaben-Gymnasium in Völklingen
  • 1957
    Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand (aus gesundheitlichen Gründen), Über­siedelung nach Bensheim an der Bergstraße; hier entsteht der Großteil seines (erhaltenen) Werkes
  • Ehrungen:
  • 1973
    Die saarländische Landesregierung verleiht Grewenig den Professoren-Titel
  • 1977
    Verleihung des Bundesverdienstkreuzes
  • 1983
    Verleihung der Silbernen Ehrenmedaille der Stadt Bensheim
  • 1989
    Preis des Württembergischen Kunstvereins, Stuttgart
  • 1991
    gestorben in Bensheim

Quellen Text: Bertram Sauder (KulturGut e. V.), Institut für aktuelle Kunst im Saarland
Quellen Fotos: Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Archiv Hölscher-Grewenig